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22-06-20 12:02 Alter: 4 yrs

VON:GH

Aktuelle alte Formate …

Torpedos, Keulen, Stumpen … Das Humidor-Konsilium beschäftigte sich mit Formaten, die heute als „Sonderformate“ betrachtet werden, vor hundert Jahren aber der Standard waren.



Es gibt über 3.000 aktuell verfügbare Zigarren …


… rechnet man Marken und Formate zusammen.


Das Humidor-Konsilium findet stets die Besten.


In den 1920er Jahren waren die typischen Alltagszigarren Figurados. Geraucht wurde in Mengen, die es der Stadt Berlin 1927 ermöglichten, dass rund 6.500 Zigarrenhändler mit der Versorgung des Volkes beschäftigt waren. Wer genau hinschaut, sieht aber auch: So feine Deckblätter wie heute gab es dmals nicht für jeden …

Wenn schon eine Lokalität in der Stadt ist, die sich ganz und gar den 1920er Jahren verschrieben hat, sollte man die Gelegenheit nutzen und dort mit Formaten der 1920er Jahre einen Abend verbringen.

Das Humidor-Konsilium war in Elianes Esszimmer. Ein 9-Gänge-Menü stand auf der Karte. Begleitet wurden es von dazu passenden Tellergerichten des Patrons Mirko Sachs und Gang für Gang serviert von „Frau Sachs“ und „Frollein Jenny“, einem Servicepaar, dem man ob seiner Authentizität endlich die Servierschürzen der 1920er Jahre wünscht, die quasi das Tüpfelchen auf dem i wären – tatsächlich jedoch nur sehr schwer zu bekommen sind.

Aber es geht auch ohne Schürzen – wie der Abend zeigte.

Der klassische Einsteiger: Brazil Trüllerie Bajazzo aus dem Hause Schuster. Nebenbei gesagt: Philipp Schuster, der Geschmacksverantwortliche in der Zigarrenfamilie, ist der einzige deutsche Zigarrenfabrikant, der für seine Zigarren eine jahrzehntelange Produktverantwortung übernimmt. Brazil Trüllerie kenne ich seit 45 Jahren. Die war damals gut und sie ist heute gut.

Ob nun Bajazzo oder die zweite Zigarre des Abends, die Brazil Trüllerie Fernando. Alle haben diese üppige volle brasilianische Süße und Fülle, die nur Tabake aus den Regionen Mata Fina und Marta Norte in Brasilien hervorbringen. Das Ganze verfeinert mit Tabaken aus den kubanischen Regionen Remedios und Vuelta Abajo – denn die Zigarrenfamilie Schuster hat seit ihrem Bestehen freundschaftliche Kontakte zu den besten Tabakfeldern der Welt.

Dritter Gang: Maria Mancini Postre de Banquete No. 1. Honduras. Postre de Banquete ist in der drei Linien umfassenden Maria-Mancini-Familie die cremige und voluminöse Variante. Eben so, wie man sie während eines Banquetes haben sollte … oder auch danach.

Und dann die dicke Berta: La Aurora 107 Zeppelin. La Aurora ist immer eine sichere Bank. Bei dieser Zigarrenfamilie hat es noch nie einen Ausrutscher gegeben. Und das gilt auch für die 107 Zeppelin, die mit ihren 2,5 Zentimetern Durchmesser bei einer Länge von nur 10 Zentimeter zum Schwierigsten gehört, was Künstlerhände rollen können. Doppelfigurado. An beiden Enden spitz zulaufend. 1920 Standard, heute hohe Kunst.

Kuba ist, was diese Formate betrifft, recht dünn besiedelt. Lediglich die Marke Cuaba erinnert mit ihren derzeit fünf Formaten (Divinos, Tradicionales, Exclusivos, Distinguidos und Salomones) an die Doppelfigurado-Zeit der 1920er Jahre. „Frollein Jenny“ servierte Divinos und Tradicionales.

Ob die Schlangen von Partagás (Partagás Culebras) tatsächlich ein hundert Jahre altes Format sind, wissen wir nicht. Nachweise darüber wurden nirgends gefunden. Schon gar nicht in den Katalogen der Zigarrenhändler. Aber die Einmaligkeit dieser Zigarren war es wert, an einem illustren Abend dabei zu sein. Genau genommen ist ein Holzschächtelchen mit seinen drei ineinander geflochtene Zigarren genau das Richtige für tischübergreifende Freundschaften in Corona-Zeiten. Denn in dieser Zeit dürfen nur zwei Personen zusammensitzen. „Frollein Jenny“ achtet darauf, das man sich tischübergreifend nicht zu nahe und niemand zu kurz kommt.

Partagás Serie P No. 2 – man könnte sagen: Platzhirsch. Das Format (Torpedo) gibt es seit über hundert Jahren. Es ist damals wie heute schwierig zu rollen – weshalb man nur die besten Roller und Rollerinnen daran setzt. Und weil die besten Rollerinnen und Roller diese Zigarren drehen, sind sie stets perfekt.

Seitensprung: Montosa Maduro Toro. Handelsübliches Format. Klassisch gerade, Zwei Zentimeter im Durchmesser und 12,5 Zentimeter lang. Erst wenige Wochen alt und die Schwester der „Montosa in orange“, der leichten dominikanischen Zigarre, die anlässlich des 2. Deutschen Cigarrentages in Bünde (August 2019) erschienen ist. Die „Schwester in grün“ (Montosa Maduro Toro) ist deutlich pfeffriger und stärker. Gott sie Dank, sonst wäre sie am Ende des Menüs auch völlig untergegangen – geschmacklich gesehen.

Peinlich, peinlich peinlich: Da raucht sich der höchstrangige Habanos-Experte Hamburgs um Mitternacht mit einer Partagás P 2 in seinen 70. Geburtstag hinein und kein Mensch merkt es …

Wie will man das ungeschehen machen?