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07-02-06 00:17 Alter: 18 yrs

VON:GH

Das EU-Tabakwerbeverbot und seine Folgen

Voraussichtlich im März 2006 entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Klage Deutschlands gegen das Tabakwerbeverbot der Europäischen Union.

Gelegenheit, sich wieder einmal die Konsequenzen vor Augen zu führen.



Eine „ABM J“ [Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen in allen Bereichen (Anwälte, Gerichte, Verwaltungsbehörden)] stellt die EU Richtlinie 2003/33/EG mit der daraus resultierenden nationalen Gesetzgebung dar. Unklare Rechtsbegriffe, bei denen teilweise ein unklarer Begriff durch einen noch weniger definierten Begriff ersetzt wird, tun ein Übriges. Der Beitrag zeigt einige der voraussichtlichen und / oder möglichen Konsequenzen auf.

Am 26. Mai 2003 verabschiedete das Europäische Parlament eine Werberichtlinie, die unter dem Stichwort "Tabakwerbeverbot" und der einprägsamen Registernummer 2003/33/EG seither die nationalen Gesetzgebungskörperschaften mit Arbeit versorgt. Bis zum 31. Juli 2005 müssen die Mitgliedsländer der EU den Inhalt dieser Richtlinie in ein nationales Gesetz umgesetzt haben.

Die Bundesrepublik Deutschland hat beim Europäischen Gerichtshof dagegen Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die EU damit ihre Regelungskompetenz überschritten habe. Die Richtlinie stelle u.a. einen Eingriff in den nationalen Werbemarkt dar und dieser gehöre nicht in die Regelungskompetenz der EU. Nach gegenwärtigem Stand wird über diese Klage aber nicht vor dem 31. Juli 2005 entschieden worden sein. Das bedeutet, dass auch in Deutschland die Richtlinie zunächst einmal zum Gesetz werden muss, will man Strafen der Europäischen Union vermeiden. Diese ist mit ihren sogenannten "Vertragsverletzungsverfahren" recht zügig bei der Hand.

Für die Umsetzung in deutsches Recht ist das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) federführend zuständig. Kurz vor Weihnachten hat das BMVEL daher einen Referentenentwurf an verschiedene Vereinigungen der Tabakindustrie gesandt und diese aufgefordert - binnen weniger Tage und über Weihnachten – nämlich bis zum 30. Dezember 2004 hierzu Stellung zu nehmen. Öffentlich wurde der Entwurf bewusst nicht verteilt. So etwas – so die Pressestelle des Ministeriums – habe man noch nie gemacht. Im übrigen sei die Öffentlichkeit auch gar nicht betroffen. Betroffen seien von diesem Gesetz nur die "teilnehmenden Wirtschaftskreise", nicht aber der interessierte Bürger.

Der Redaktion von C – dem Herrenjournal für Lebenskultur - liegt dieser Entwurf vor. Danach soll es einen neuen § 21 a im Tabaksteuergesetz (TabStG) geben, der verschiedene Formen der Werbung und des Sponsoring verbietet.

 

Werbung

Kern des neuen Paragrafen ist der Satz: "Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben." Dieses gilt auch für Werbung "in Diensten der Informationsgesellschaft", womit in erster Linie das Internet gemeint ist. SMS, Pager und andere Medien gehören auch in die Palette der Dienste einer Informationsgesellschaft, spielen in diesem Zusammenhang aber nur eine untergeordnete Rolle.

Keine Vorschrift ohne Ausnahme. Werbung ist daher gestattet in einer Veröffentlichung, "die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt ist", sowie in einer Veröffentlichung, die "in einem Staat, der kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist, gedruckt und herausgegeben wird, sofern diese Veröffentlichung nicht hauptsächlich für den Markt in der Europäischen Union bestimmt ist."

Definition des Begriffes Werbung.
Werbung wird in der Richtlinie der EU beschrieben als "jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern." Der deutsche Gesetzentwurf übernimmt diese Beschreibung.

Kommerzielle Kommunikation
Obwohl er einen zentralen Dreh- und Angelpunkt für das gesamte Gesetz darstellt, wird der Begriff "Kommerzielle Kommunikation" nicht definiert. Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass jedem klar ist, was damit gemeint sein könnte, oder verlässt sich darauf, dass später die angerufenen Gerichte eine Definition finden werden. Bis dahin verbleibt es bei Unsicherheit und Spekulationen. Unterstellt wird im Folgenden, dass Kommunikation immer dann als kommerziell angesehen werden wird, wenn im Zusammenhang damit Geld verdient wird oder werden soll.

Diese Kommunikation muss entweder
1. das Ziel oder
2. die direkte Wirkung oder
3. die indirekte Wirkung
haben, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern.

Greifen wir einige Beispiele der Kommunikation heraus.

  1. Die Anzeige eines Cigarrenherstellers für eine bestimmte Cigarre in einer Fachzeitschrift.
    Ob es sich nun um einen Hersteller oder Importeur handelt, spielt keine Rolle, beide werden gleich behandelt. Ebenso spielt es keine Rolle, ob für eine bestimmte Cigarre geworben wird, oder ob auf mehrere oder alle Cigarren dieses Herstellers hingewiesen wird.

    In diesem Falle wird Geld für das Erscheinen einer Anzeige bezahlt. Der publizierende Verlag (sei es nun in gedruckter oder digitaler Form) kann oder will Geld damit verdienen. Also handelt es sich um kommerzielle Kommunikation. Die Anzeige wird auch mit dem Ziel in Auftrag gegeben, den Verkauf des beworbenen Tabakerzeugnisses zu fördern. Demzufolge ist eine derartige Anzeige verboten.

    Hier könnte die Ausnahme helfen, nach der eine solche Werbung erlaubt ist, wenn es sich um eine Publikation handelt, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt ist. Das wären Publikationen, die weder in einem Kiosk oder sonstwo im Handel gekauft werden können.

    Unklar bleibt dennoch bis auf Weiteres, wer denn festlegt, ob eine Publikation für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt ist. Der Herausgeber durch eine einfache Erklärung? Legt das die strafverfolgende Ordnungsbehörde durch Verwaltungsakt fest? Oder liest ein Richter im Streitfalle die Publikation und entscheidet, für wen die Zeitschrift bestimmt ist? Gilt diese Entscheidung dann nur für eine Ausgabe einer periodisch erscheinenenden Zeitschrift oder für alle vorherigen und nachfolgenden Ausgaben?

    Helfen könnte auch der zweite Ausnahmetatbestand, wonach die Anzeige nicht verboten ist, wenn es sich um eine Zeitschrift handelt, die weder in der EU gedruckt noch herausgegeben wird und die zugleich sich nicht hautpsächlich an den EU Markt richtet. Ist das Merkmal der Herausgeberschaft und des Druckortes noch recht einfach zu prüfen, so fangen die Unwägbarkeiten bei der Frage nach der "Bestimmung" wieder an. Wer legt denn eine solche "Bestimmung" fest? Der Herausgeber, die Ordnungsbehörde, ein Gericht, oder will man Verzeichnisse des Herausgebers darüber heranziehen, wieviele Exemplare er in welches Land dieser Erde exportiert? Dann wiederum wäre es recht einfach, denn der Herausgeber muss nur belegen, dass maximal 49% seiner Auflage den europäischen Markt erreicht.

    Wer sich als Herausgeber auf einen der beiden Ausnahmetatbestände beruft, muss dennoch in der Praxis nicht erfolgreich sein.

    Die Anwendung und Durchsetzung des Gesetzes ist Aufgabe der zuständigen Ordnungsbehörden. Diese könnten eine Palette voller Zeitschriften an der Grenze mit der Behauptung beschlagnahmen, Ausnahmetatbestände lägen nicht vor, es handele sich um verbotene Werbung. Nun darf der Herausgeber bzw. Verlag den gerichtlichen Weg beschreiten. Bei der durchschnittlichen Prozessdauer ist ungewiss, nach wie vielen Jahren die Zeitschrift evtl. ausgeliefert werden kann.

    Zeitschriften, die nicht palettenweise, sondern in einzelnen Sendungen an die Abonnenten gehen, wären nur vereinzelt – in der Praxis aber wohl gar nicht – von einer Beschlagnahme betroffen.

  2. Redaktioneller Artikel einer Zeitung
    In einer Zeitung, Zeitschrift oder entsprechender Internetseite, deren Hauptgegenstand die allgemeine politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Information ist (Tages- Wochen- oder Monatszeitung) erscheint ein Artikel über eine Zigarre. Hier werden weder der Redakteur noch die Redaktion für diesen einen Artikel bezahlt. Allerdings verkauft der Verlag seine Zeitung, schreibt also u.a. diesen Artikel, den seine Kunden mit dem Kauf dieser Zeitschrift oder Zeitung bezahlen. Folglich ist auch dieses kommerzielle Kommunikation.

    Hier taucht jedoch die Frage auf, ob diese Werbung mit dem Ziel der direkten oder der indirekten Wirkung gemacht wird, den Verkauf des Tabakproduktes zu fördern. Mag man das Ziel der Verkaufsförderung auch noch verneinen und auch keine direkte Wirkung der Verkaufsförderung sehen, so ist dennoch jede Argumentation möglich, die behauptet, eine indirekte Wirkung der Verkaufsförderung läge vor.
    Und was ist mit dem Abdruck von Bildern? Als Beispiel mag das Exemplar der Bildzeitung am Tage der BDI-Jahreshauptversammlung 2004 in Berlin dienen, als auf der Titelseite ein Bild des Bundeskanzlers abgedruckt war, auf dem dieser mit dem kubanischen Tabakpapst Alejandro Robaina sowie drei Kisten Cigarren abgebildet war. Das Bild des Tabakpapstes alleine schon könnte die indirekte Wirkung haben, den Verkauf dieser kubanischen Cigarre zu fördern. Und der Kanzler mit einer Kiste Libertad, einer Kiste Robaina und einer Kiste Artist Line hat mit Sicherheit die indirekte Wirkung, den Verkauf dieserTabakprodukte zu fördern.

    Ab Inkrafttreten des Gesetzes muss demnach jede Zeitung und Zeitschrift, die ein solches Bild veröffentlicht, mit einer Bestrafung rechnen.

    Für eventuelle Ausnahmetatbestände gilt das schon unter 1. Gesagte.

  3. Die Kundenzeitschrift des Tabakwareneinzelhändlers
    Sofern es darin nicht um Humidore, Pfeifen oder ähnliches, sondern – wenn auch nur teilweise – um Tabakprodukte geht, handelt es sich um eine andere gedruckte Veröffentlichung. Kommerzielle Kommunikation ist dies ebenfalls. Und das Ziel, den Verkauf von Tabakprodukten zu fördern, liegt auf der Hand. Ergo: Verboten!
    Mutige Händler werden eventuell eine Veröffentlichung verteilen, in der sie ihr Geschäft anpreisen, in dem es Humidore, Pfeifen, Feuerzeuge und Cigarren von A wie Avo bis Z wie Zino gebe. Dieser Satz kann die Ordnungsbehörde schon auf den Plan rufen. Und wenn nicht die, dann einen anderen Händler, der diese Werbung für sein Geschäft nicht macht.

  4. Onlineshops für Cigarren und andere Tabake
    Der Inhaber bzw. Betreiber eines Onlineshop kommuniziert auf dieser Plattform mit seinen vorhandenen und potenziellen Kunden. Er bezahlt Geld dafür, dass diese Kommunikation stattfindet und will oder kann auf der Basis dieser Kommunikation Geld verdienen. Also auch hier kommerzielle Kommunikation.

    Der Onlineshop wird auch mit dem direkten Ziel betrieben, den Tabakverkauf zu fördern. Dieses ist die einzige Existenzberechtigung, die dieser Shop für seinen Betreiber hat.

    Folglich handelt es sich um eine verbotene Werbung.

    Ein Ausweichen des Betreibers auf eine Domain außerhalb der EU ist wenig erfolgversprechend. Verantwortlich ist der Betreiber. Dieser hat seinen Sitz im Inland und ist daher greifbar und angreifbar.

    In diesem Zusammenhang könnte man eventuell unterscheiden zwischen demjenigen, der ausschließlich einen Onlineshop betreibt und dem Inhaber eines Ladengeschäftes, der zusätzlich einen Online Shop betreibt. Demjenigen, der nur einen Onlineshop betreibt, würde man mit dem Verbot die Existenzgrundlage entziehen. Das wäre ein Eingriff in die Gewerbefreiheit, die jedoch gem. Art 12 des Grundgesetzes geschützt ist. Ein weites Feld für Juristen aus allen Bereichen. Wer einen Onlineshop zusätzlich betreibt, kann nicht mit dem Grundgesetz argumentieren, da ihm "nur" ein Teil seines Geschäftes unmöglich gemacht wird. Abgesehen davon sind Gewerbebeschränkungen auch im Grundgesetz vorgesehen.
    Auch diese Unterscheidung bringt dem Betreiber des Onlineshops keine Rettung.

    Hinter den Kulissen hört man, dass es eventuell für die Shopbetreiber eine Ausnahme geben könnte, wenn im Shop keine Cigarren "angepriesen" oder hervorgehoben werden, sondern wenn es sich schlicht um eine Aufzählung nach dem Prinzip handelt: Ich habe Cigarren mit folgendem Namen in folgenden Abpackungen und sie kosten x Euro.

  5. Webseiten von Herstellern oder Importeuren ohne Shop
    Hersteller und Importeure wollen mit der permanenten Verfügbarkeit von Informationen über ihre Produkte Kaufanreize schaffen und auf diese Weise Geld verdienen. Also auch hier kommerzielle Kommunikation. Ebenso ist es das Ziel dieser Kommunikation, den Verkauf der Tabakprodukte zu fördern. Die Webseiten dieser Firmen sind demnach verbotene Werbung.

    Da das Internet jedermann zugänglich ist, kann der Hersteller oder Importeur auch nicht damit argumentieren, seine Publikation richte sich ausschließlich an die im Tabakhandel tätigen Personen. Gerade die Kommunikation mit der Allgemeinheit soll verboten werden und dann kann man nicht ein Medium verwenden, in dem sich jedermann informieren kann.

    Einen Ausweg stellt vermutlich eine geschlossene Benutzergruppe dar. Der Hersteller müsste dann seinen Internetauftritt mit einem Passwort versehen, das nur den im Fachhandel tätigen Personen zugänglich ist. Hier würde der Gesetzeszweck dann allerdings in sein Gegenteil verkehrt. Man stelle sich einmal vor, ein bekannter Hersteller oder Importeur würde seine Seiten mit einem Passwortschutz versehen. Tausende und Abertausende von interessierten Internetusern würden regelmäßig versuchen, dieses Passwort zu "knacken". Die Passwörter würden im Internet weitergegeben und alleine dadurch würde diese Seite zu einem permanenten Anlaufpunkt werden. Eine bessere Werbung kann sich der Hersteller kaum wünschen.

    Einen weiteren Ausweg stellt der "Umzug" auf einen nicht in der EU gelegenen Server dar. Für den Internetuser spielt es keine Rolle, ob er die Adresse www.meine-cigarre.de oder www.meine-cigarre.cu eintippt. Wenn der Domaininhaber dann auch noch eine nicht in der EU ansässige Firma oder Privatperson ist, sind den Ordnungsbehörden in der EU die Hände gebunden.

  6. Private Internetseiten
    Einige privat betriebene Internetseiten beschäftigen sich mit Themen rund um den Tabak. Ob nun mit oder ohne Forum: hier liegt die Motivation für das Betreiben der Webseite in einem privaten Interesse am Thema, in einem Meinungsaustausch mit anderen und in der gegenseitigen Information. Bei diesen Internetseiten besteht keine Absicht, Gewinne zu erzielen. Sie verdienen kein Geld mit dem Internetauftritt und wollen dieses auch nicht. Für sie gilt also, dass keine kommerzielle Kommunikation vorliegt. Von daher fallen sie nicht unter das Tabakwerbeverbot.

  7. Bücher
    Jede Menge Bücher beschäftigen sich mit Cigarren und anderen Tabakprodukten. Seien es nun Lexika, Enzyklopädien oder Monographien über Tabak oder das Rauchen allgemein. Sie werden geschrieben, verlegt und verkauft mit der Absicht, Geld zu verdienen. Kommerzielle Kommunikation ist also gegeben.

    Lassen wir die Frage, ob diese Bücher das Ziel haben, den Verkauf von Tabakprodukten zu fördern einmal offen. In jedem Falle haben sie die direkte oder indirekte Wirkung, den Verkauf von Tabakprodukten zu fördern. Natürlich kann man in den Beispielsfällen argumentieren, eine indirekte Verkaufsförderung sei nicht gegeben. Wer will das mit welchen Mitteln beweisen oder den jeweiligen Gegenbeweis antreten? Und wer wird auf dieser unklaren Basis das Wagnis eingehen, überhaupt Arbeit in ein solches Werk zu stecken. Im Ergebnis stellt alleine schon diese Unsicherheit über Erlaubt oder Verboten eine Zensur dar.

    Werke dieser Art dürften ab dem 31. Juli 2005 nicht mehr erscheinen.

    Eine Biographie über Winston Churchill ohne Erwähnung seines Cigarrenkonsums wäre keine Biographie sondern Flickwerk. Hinzu kommt, dass dieser Name zugleich der Name eines Cigarrenformates ist. Also Werbung mit dem Ziel, indirekt den Verkauf dieses Format zu fördern? Muss man Bilder des Bundeskanzlers Ludwig Erhard demnächst dahingehend retuschieren, dass er keine Cigarre mehr raucht?

    Weiter geht es mit Fernsehsendungen. Zumindest bei Privatsendern ist der kommerzielle Charakter vorhanden. Wie sieht es denn dann mit Filmen aus dem Genre eines Sherlock Holmes oder eines Inspektor Columbo aus? Haben die beiden Protagonisten eine indirekte Wirkung auf den Verkauf von Tabakprodukten? Werden derartige Filme also verboten?

    Die Abstrusität dieser Gedankenkette macht deutlich, wohin ein "Gesetz" der entworfenen Art führen kann.

 

Sponsoring

Der neue § 21 a TabStG verbietet auch das Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten, an denen mehrere Mitgliedsstaaten beteiligt sind, die in mehreren Mitgliedsstaaten stattfinden oder die eine sonstige grenzüberschreitende Wirkung haben. Bei diesen Veranstaltungen ist auch das kostenlose Verteilen von Tabakerzeugnissen verboten, wenn sie das Ziel, die direkte oder indirekte Wirkung haben, den Verkauf dieser Erzeugnisse zu fördern. Nationale Veranstaltungen oder Aktivitäten sind hiervon nicht betroffen.

Die Schweiz als Fluchtburg?
Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU. Sie muss die Richtlinie daher nicht umsetzen. In den vergangenen Jahren sind in der Schweiz jedoch Gesetze und Verordnungen erlassen worden, die denen der EU gleichen. Auch das Tabakwerbeverbot wird in der Schweiz intensiv diskutiert. Wenn überhaupt, werden die EU-Regelungen in der Schweiz ebenfalls zum Gesetz werden, wenn auch etwas später.

 

Auswirkungen auf den Markt

Was in jedem Falle mit einem Werbeverbot erreicht wird, ist die Zementierung vorhandener Marken in den Köpfen der Verbraucher und damit im Markt. Neue Marken und Serien haben so gut wie keine Chance, da man nicht nur keine Werbung machen, sondern in der kommerziellen Presse auch nicht darüber schreiben oder sonstwie berichten darf. Einziger Ausweg für die Hersteller neuer Produkte ist daher der Kontakt zum Fachhandel, in der Hoffnung, dieser werde sich des neuen Produktes annehmen. Die Konsequenzen sind einfach erkennbar. Der Fachhandel wird sich die Produkte mit den höchsten Margen heraussuchen und die anderen nicht beachten und bekannt machen.
Bei den bestehenden Marken wird die Warenpräsentation eine entscheidende Rolle spielen. Ware, die sofort erkennbar und attraktiv platziert ist, wird eher gekauft, als Ware, die irgendwo "in der Ecke" liegt. Ein wohlfeiles Argument des Handels, zusätzlich zu den Rabatten eine "Regalmiete" zu fordern.
Der interessierte Verbraucher kann sich dann dem Meinungsbildungsmonopol eines Händlers unterwerfen oder er muss den Kontakt zu verschiedenen Händlern halten, um hin und wieder etwas Neues zu erfahren.
Für Importeure und Hersteller heißt dies, dass sie nur noch einen Kommunikationspartner haben, nämlich den Händler. Der Handel kann sich entspannt zurücklehnen. Ihm wird hier ein Informations- und Meinungsbildungsmonopol offeriert, wie man es sich schöner kaum vorstellen kann. Der Konsument hat nur noch in privaten Kreisen und Zirkeln die Möglichkeit, über Tabak zu schreiben, zu sprechen und sich zu informieren und auszutauschen.

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
Wer vermutet, dass das alles schon nicht so schlimm werden wird, dürfte sich mächtig täuschen. Die EU-Richtlinie wird bis zum 31. Juli 2005 nicht verändert werden. Es ist die Pflicht eines jeden Mitgliedsstaates, die Richtlinie in nationales Gesetz umzusetzen. Wer dies nicht tut, muss mit einer Bestrafung durch die EU rechnen. Nun mag in einigen Ländern der EU der Wille oder die Kraft zur Durchsetzung eines solches Gesetzes schwach veranlagt sein. Für Deutschland gilt dies mit Sicherheit nicht. Hier werden Gesetze auf Punkt und Komma angewendet.
Und die Phantasie der Regulatoren ist schier unerschöpflich. Ein Beispiel gefällig? In Belgien etwa darf man in der Werbung keine Autos mehr zeigen, die durch einen Bach fahren - weil das gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt, was die Käufer ja nachmachen könnten.

In einigen Ländern, z.B. Österreich und Belgien, wurde versucht, die EU-Richtlinie schon zum 1. Januar 2005 in ein nationales Gesetz umzusetzen. Bei Bekanntwerden dieser Pläne meldeten sich neben vielen anderen auch Spiegel, Focus und Stern. Für sie wäre die Situation entstanden, dass Sie Ihre Tabakwerbung enthaltenen Ausgaben zwar in anderen EU-Ländern hätten verkaufen dürfen, aber nicht in Belgien und Österreich. Ein solches nationales Verbot stellt jedoch eine Diskriminierung im Rahmen des freien Warenverkehrs innerhalb der EU dar. Die beteiligten Länder haben nach entsprechenden Protesten von einer vorgezogenen In-Kraft-Setzung abgesehen.

Was erwartet uns ab dem 31. Juli 2005?
Einige altbekannte Pressepublikationen wird es nicht mehr geben. Andere oder neue werden im wesentlichen außerhalb der EU verkauft und verteilt werden. Maximal 49% der Auflage dürfte in die EU gelangen. Die Internetseiten der Hersteller und Importeure werden nicht mehr mit .de enden, sondern entweder verschwinden oder ein .cu, ein .do oder eine sonstige außereuropäische Länderkennung haben. Kleine Kärtchen mit der Aufschrift www.gute-cigarren.cu oder ähnlichen Namen werden verteilt. Druckwerke, in denen es um Tabak geht, werden wie die berühmte Samisdat-Literatur nur an vertrauenswürdige Freunde weitergereicht. Die allgemeine Tages- und Wochenpresse wird jede schriftliche oder bildliche Berührung mit Tabakprodukten meiden. Bilder wird man vor dem Druck daraufhin untersuchen, ob im Hintergrund vielleicht nicht doch irgendwo ein Produktname auftaucht. Onlineshops – einst Wahrzeichen grenzüberschreitenden modernen Handels - werden sang- und klanglos verschwinden. Bücher mit Werbung für Tabakprodukte werden kurz vor dem 31. Juli im Handel verramscht und anschließend nur noch im privaten, nicht kommerziellen Kreise weiter gereicht.

Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts war die EU mit einer ähnlichen Richtlinie unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes der europäischen Verbraucher wegen Überschreitung der Regelungskompetenz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gescheitert. Man habe in der neuen Richtlinie alles berücksichtigt, was der EuGH bemängelt habe, sagte David Byrne, der geistige Vater beider Richtlinien.

In den Annalen der deutschen Geschichte gibt es eine Hitler-Jugend-Propaganda-Schrift, herausgegebenen von der Reichsjugendführung, die auf dem Titelblatt eine durchgestrichene Zigarette und den Spruch "Du hast die Pflicht gesund zu sein" trägt.