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24-09-17 16:00 Alter: 7 yrs

VON:ROY KUMMER

Der Zigarrendödel

Wer sich in der Casa del Habano Leipzig aufhält, trifft häufig auf den gutmütigen aber stets wachsamen und mit scharfen Augen ausgestatteten Condor – ein Wesen, dass darüber hinaus auch noch die spitze Feder beherrscht.

Und genau die kramte der Condor hervor, als neulich mal wieder eine besonders unangenehme Spezies auftauchte …



Der Condor, ein Wesen, das man gewöhnlich in der Casa del Habano Leipzig antrifft.

Leider gibt es sie, und es sind ihrer nicht wenige. Man erkennt sie daran, dass sie ihre Zigarren hektisch und voluminös beschneiden, an Kerzenflammen, mit gewaltigen Jetburnern oder Benzinfeuerzeugen entzünden, in Rekordzeit paffen, ihren Rauch vielleicht gar inhalieren und sie schlussendlich schändlich im Ascher ausdrücken. Die Rede ist von der Gattung der Gemeinen Zigarrendödel.  Sie entstammen einer stabilen und vor allem lernresistenten Population. Diese Lernresistenz ist es, die den Zigarrendödel überhaupt zum echten Dödel erhebt. Das Wesen jeglichen Dödels ist gekennzeichnet durch Ignoranz und Desinteresse. Statt zu genießen, macht der Zigarrendödel sich anheischig, Tabak mehr oder weniger öffentlich zu verbrennen. Statt sich über großartige Handarbeiten aus dem Besten, was die Natur zu bieten hat zu freuen, bekrittelt er alles. Niemand und nichts ist vor seinem Gedöns sicher. Alle Katastrophen, die er durch eigene Schuld verursacht, egal ob Schiefbrände, Kernbrenner, das Austreten von flüssigem Kondensat oder gar das Auseinanderfallen der Tabakgebinde, lastet er jenen unschuldigen Zigarren an, die ihm in seine beidseitig linken Hände geraten. Bei der Zigarrenauswahl  fällt der Zigarrendödel durch Fixierung auf extrem kleine Zigarren („So viel Zeit hab ich gar nicht.“), extrem billige Zigarren („Eigentlich rauche ich ja immer Cohiba, aber vielleicht können Sie mir ja auch einmal etwas anderes empfehlen…“) oder gewaltige Öfen mit exorbitanten Ringmaßen (Um bitte was eigentlich zu kompensieren?) auf. Was immer der Zigarrendödel nicht versteht, und das ist das Meiste, wird nicht etwa hinterfragt, sondern kritisiert. („Ich war nur mal eine Viertelstunde auf dem Klo, und als ich zurückkam, war die Zigarre schon aus.“) Wie bei allen Dödeln, macht auch der Zigarrendödel alles, außer sich selbst, für das eigene Scheitern verantwortlich. Dabei ist der gemeine Zigarrendödel natürlich ein echter Besserwisser. Aber, eins weiß er nicht. Kein Zigarrendödel weiß, dass er ein Zigarrendödel ist.

Wer den Gemeinen Zigarrendödel würdigt, kommt nicht umhin, auch dem Zigarrendödel der gehobenen Kategorie Aufmerksamkeit zu zollen. Diese Edel-Zigarrendödel oder Zigarren-Edeldödel schleichen sich in Raucherklubs ein und unterwandern Raucherevents. Im Gegensatz zum offen despektierlichen  Zigarrendödel aus dem Grundensemble, welcher seine Ignoranz ungeniert auslebt, geriert sich der Edeldödel als kenntnisreicher Genießer, der ja so gern genießen möchte; nur leider, leider ist da immer etwas im Weg, was ihn erbost, traurig macht und der Verzweiflung anheimfallen lässt.  Viel Geld gibt er für seine Zigarre aus. Und immer wird er enttäuscht. Liegt das Prachtstück vor ihm und sieht einfach nur schön aus, macht sich der Edeldödel daran, den Zigarrenring zu entfernen, und zieht dabei gleich das Deckblatt mit ab. Oh, wie schade. Ein weiteres häufiges Szenario: Der Edeldödel hat er sich eine Zigarre ausgesucht, beschnuppert, betastet und dann das: Das Ding zieht nicht. Furchtbar. Wohlgemerkt, jeder Zigarrendödel, egal ob gemein oder edel, bemerkt immer erst, dass eine Zigarre nicht zieht, nachdem er sie angezündet hat. Weil er mit masochistischer Konsequenz das sorgsame Durchblasen der Zigarre und die Probe des Kaltzuges vermeidet, um dann mit weinerlichem Gesicht  festzustellen, dass ihm das Leben abermals eine Falle gestellt hat. Widerfährt einer guten Zigarre das grausame Schicksal, einem solchen Zigarrendödel zwischen die Finger zu geraten, dann bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihre Verachtung durch Kern- oder Schiefbrand zu bekunden, und ihre Asche in unziemlichen Intervallen abzuwerfen. Nicht zu unterschätzen ist -  neben seiner Art von Geheimwissen - der pädagogische Anspruch des gehobenen Zigarrendödels. Jeder Mischmeister einer Havannamanufaktur würde erblassen, wenn er wüsste, was dem Edelzigarrendödel schon seit langem vollkommen klar ist, und worüber er sich gern laut verbreitet. Nämlich, dass Kuba vor lauter Sozialismus überhaupt keinen Tabak mehr übrig hat und deshalb welchen importieren muss, den es dann - in Form teurer Habanos – auf dem Weltmarkt außerordentlich erfolgreich verkauft. Was indes selbst Dödel der gehobenen Klasse niemals erklären, ist, warum jemand den Kubanern zu diesem Zweck Tabak billig überlassen sollte. Außerdem weiß der Edel-Zigarrendödel aus sicherer Quelle, dass die Aromen von Importzigarren natürlich synthetisch in Deutschland produziert werden, dass weiße „Cotschiba“  mit Mentholgeschmack dreitausend Dollar das Stück kosten, und dass alle - außer ihm - keine Ahnung haben. Schließlich raucht er seit Jahren insgeheim Zigarren, die ursprünglich für Castro, Kennedy, Muhammad Ali oder aber zumindest den Hochstapler Gert Postel gedacht waren, dann aber  - auf verschlungenen Pfaden -  von der Karibik den Weg in seinen Privatbestand gefunden haben. Es sind Zigarren aus Zigarrenmanufakturen, die so geheim sind, dass keiner außer ihm und einigen seiner Dödelfreunde sie kennen.  Nur Edel-Zigarrendödel oder eben Zigarren-Edeldödel wissen um ihre Besonderheiten. Dem echten Aficionado indes, riechen diese Erzeugnisse nach Bananenblättern und glimmendem Kehricht.  In diesem Sinne: Frei nach Loriot, der übrigens passionierter Pfeifenraucher war, gilt also: Holleri - du Dödel du!