Artikel-Single-View
25-01-06 12:40 Alter: 18 yrs

VON:GH

Ein - kleines - Loblied auf die Bahn

300 km/h, in der einen Hand einen Joystick für die Geschwindigkeitskontrolle, in der anderen eine gute Cigarre - Fliegen auf Höhe 0. Es gibt sie noch, die kleinen Refugien des Exclusiven und Sinnhaftigen.



Maximale Geschwindigkeit 330 km/h.


Für die Bedienung und Kontrolle des ICE 3 wird nur eine Hand benötigt.


Abteil für acht Aficionados. Die Scheibe zum "Führerstand" wird auf Knopfdruck milchig-undurchsichtig.


Im Hintergrund der Sammelwagon für Temperenzler.


Platz genug - selbst für einen Trinidad-Aschenbecher

Der ICE 3 ist das Flaggschiff der Deutschen Bundesbahn. Bis zu 300 Stundenkilometer schnell und - was die meisten nicht wissen, mit einem seltenen Refugium für Zigarrenraucher ausgestattet.

Der Lokführer sitzt an der Spitze nicht nur des Zuges, sondern auch des nur 8 Sitzplätze umfassenden 1. Klasse-Abteils für Raucher. Dahinter dann der Einstiegs- und Separationsbereich, dem der Rest des Zuges mit den Nichtraucherplätzen folgt.

Der Zug befährt nicht nur die prestigeträchtige Teilstrecke zwischen Frankfurt und Köln (52 Minuten bei bis zu 300 km/h) sondern wird auf der Relation Basel - Dortmund/Amsterdam und zurück eingesetzt. Zumeist fährt er höchst gemächlich mit "nur" 200 bis 250 km/h.

Unseren Lokführer, nennen wir ihn einfach mal Lukas, ist stolz auf seinen Arbeitsplatz und es macht ihm Spaß, vierhundert Meter Stahlkoloss mit wenigen Handbewegungen zu dirigieren.

Der Arbeitsplatz eines ICE 3 Lokführers ist höchst minimalistisch ausgestattet. Überwachung und Kontrolle der umfangreichen Technik ist Hauptbestandteil der Arbeit. So bleibt neben wenigen Hebeln und Schaltern genügend Platz für einen Aschenbecher oder sogar einen kleinen Humidor.

Als ich Lukas dies durch die geöffnete Tür sagte, antwortete er zu meiner Überraschung, er sei durchaus ein Freund der Cigarre und würde sich auf ruhigen Fahrten auch schon mal die eine oder andere gönnen.

Ob das denn nicht etwas viel Rauch für eine so kleine Kabine sei? „Nein, nein“, lachte Lukas, „nicht in diesem Zug“. Nicht nur die Klimaanlage im Abteil wird von zwei Luftaustauchgeräten unterstützt. Sie sorgen dafür, dass die ver(b)rauchte Luft unmerklich abgesogen und durch frische ersetzt wird. Auch in der Lokführerkabine arbeitet die Ventilation ebenso effektiv."

Mein zweifelnder Gesichtsausdruck schien ihn zu provozieren. "Wollen wir es ausprobieren?"

So ein Angebot bekommt man nicht alle Tage. Also flugs zwei gute Coronas aus der Tasche gezogen, die Tür der ca. 4-5 qm großen Kabine geschlossen, den Bahnhof verlassen und die Zigarren angezündet.

Lukas brauchte hin und wieder eine Hand für den Zug und die andere für seine Zigarre. Die Klimaanlage saugte den gesamten Rauch unmerklich ab.

Diese Absaugtechnik ist beeindruckend. Man merkt keinen Luftzug, dennoch wird der gesamte Rauch sofort abgesogen. Im Aficionado-Abteil wird diese Absaugtechnik ebenfalls eingesetzt und von einem Luftwäscher unterstützt.

Ein Zug an der Zigarre im Zug ohne Zug.

Jetzt weiß ich, warum so viele Kinder den Wunsch haben, Lokomotivführer zu werden. Und ich weiß, dass ich in meinem nächsten Leben auch einer werden möchte.