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16-12-22 11:03 Alter: 1 year

VON:DAVID ROLLIK

Jahresrückblick 1/2

Rechtzeitig zu den besinnlichen Weihnachtstagen liefert David Rollik wieder seinen beliebten Jahresrückblick.



Januar: Auch nach zwei Corona-Jahren ändern sich manche Gewissheiten nicht: Dass wo Kuba draufsteht auch Kuba drin sein muss. Immer wieder einmal versuchen Geschäftemacher auf das gute Image der Habanos aufspringen zu wollen und bewerben Zigarren mit vermeintlich kubanischem Tabak. Gerichte untersagen dies stets, so auch in diesem Fall. Apropos Kuba: Wie im Vorjahr muss das Habanos Festival pandemiebedingt entfallen. Eine zunächst angekündigte digitale Veranstaltung - im Vorjahr waren dies die "Habanos World Days" findet nicht statt. Grund zum Feier hat dafür Laura Chavin. Gleich vier Zigarren wurden vom Humidor Konsilium zu den besten des Jahres 2022 gewählt. Dabei hat die Laura Chavin Classic 99 Fino Largo – Edition 2019 die Vorkoster besonders überzeugt. Diese sind im Übrigen unbestechlich, alle Zigarren, die vom Humidor Konsilium verkostet werden, sind bezahlt. Auch im Berliner "Club de Fumadores" wird gefeiert: Zwei Mitglieder wurden für ihre zehnjährige Mitgliedschaft geehrt. Dazu drehte Rosa Arredondo frische Zigarren aus brasilianischem Tabak und 20er-Jahre-Edelbarde Henry de Winter sang ein weihnachtliches Ständchen. Wer's sehen möchte, klickt ins Video.

Der langjährige Vorsitzende des Clubs, Dr. Maximilian Herzog, weilt derweil in Costa Rica. Und er muss feststellen: das Rauchen ist überall verboten. Erst in der Casa del Habano ist dies möglich und dort mit dem Vorteil, vom allgegenwärtigen Straßenlärm abgeschirmt zu sitzen. Auch in Deutschland ist die Lage nicht berauschend. Über 100 Zigarrenlounges sind verschwunden. Doch kehrt das Leben langsam zurück und auch Neueröffnung verzeichnet unsere Übersicht. Nochmal kurz zurück nach Kuba: Alexander Groom, Betreiber und Herausgeber von www.cubancigarwebsite.com, will das gesammelte Wissen rund um Habanos im Buch El Habano Moderno: A Collector's Guide to Cuban Cigars in the Modern Era veröffentlichen. Das per Crowdfunding finanzierte Projekt sammelt statt der notwendigen 40.000 AUD (rund 26.000 Euro) fast 260.000 AUD (rund 170.000 Euro)ein. Das für November 2022 angekündigte Buch ist im Dezember 2022 aber noch nicht erhältlich.

Februar: Nicht gut bleibt es um die Verfügbarkeit von Habanos in Deutschland bestellt. Dabei sind die Kubaner nach wie vor Meister ihres Fachs, wie Dr. Maximilian Herzog bei einem Abstecher nach Kuba feststellt. Aber halt: Die Zigarren, die er bekommt, sind gar nicht im Sortiment von Habanos erhältlich sondern von Oskar Hernández Fuentes, dem Direktor von La Corona, der größten Zigarrenmanufaktur Kubas. Schade. Von seiner Reise aus Kuba berichtet Maximilian Herzog auch über die desolate wirtschaftliche Situation und den Habanos-Mangel, ohne einen positiven Ausblick für 2022 geben zu können. Zumindest, was Habanos anbelangt. In der Dominikanischen Republik sieht es besser aus, wie er bei seiner Visite in der Hauptstadt Santo Domingo feststellt. In der Manufaktur des gebürtigen Kubaners José Matias Maragoto, deren Großabnehmer Heinrich Villiger ist, werden unter anderem Bock, Villiger 1888, Villiger 1492 und Corrida (Dom. Rep.) gerollt. Eine ganz besondere Gelegenheit bietet sich für Zaungäste der fast dreimonatigen Reise Maximilian Herzogs durch die Zigarrenmanufakturen, als er in Costa Rica die Manufaktur des Landes, Vegas de Santiago, und deren Chef Marc Niehaus trifft. Denn per Zoom-Schalte in die Manufaktur können rund 150 Leser von Art of Smoke live dabei sein. Am Ende handelt Maximilian Herzog gar 10 Kisten à 100 Zigarren heraus, um endlich mal wieder angemessene Kistengrößen am Ludwigkirchplatz zu haben. Wieder ohne Zuschauer besucht er schließlich Nicaragua. Er lernt dabei nicht nur volle Busse und eines der schönsten Hotels kennen, sondern erfährt, dass auch um die Zigarren-Verfügbarkeit dieser Provenienz schlecht bestellt ist.

Schlechte Nachrichten auch von Arturo Fuente: Die Preise steigen um bis zu 36 Prozent. Aber die Kunden zahlen es offenbar bereitwillig. Dies gilt auch für Ashton-Zigarren, die künftig gar bis zu 50 Prozent mehr kosten. Keinen Cent sollte man hingegen im Hotel Bedburger Mühle in Bedburg und den, freundlich formuliert, Etikettenschwindel investieren. Auf ihrer Website werben sie (auch noch Stand Dezember 2022) mit der "üppigen Auswahl an Zigarren" im Humidor ihrer Lounge - in der aber gar nicht mehr geraucht werden darf, wie man vor Ort erfährt. Wir sprechen eine klare Reisewarnung aus! Gut aufgehoben ist man hingegen stets auf der Rickmer Rickmers, auch bei einer Sturmflut. Zum Jahresanfangsrauchen begrüßte das Humidor-Konsilium die Chefetage von Laura Chavin, Yvonne Piller und Willi Knopf. Deren Wiederbelebung der Marke war diverse Belobigungen am Abend wert. Die neuen Kompositionen haben durchweg beste Noten erhalten. Keine Laura-Chavin-Zigarre der neuen Generation fiel im Test durch. Apropos Laura Chavin: Unter diesem Namen gibt es nun auch Whisky, dem Online-Magazin WhiskyNews.de hat Willy Knopf verraten, was es damit auf sich hat. Das Jahr gebührend eingeläutet wird auch beim Zijarnfrünne OWL e.V., das 100. Treffen der Zigarrenraucher Ostwestfalen-Lippe steht an.

März: Was würden Sie rauchen, wenn Sie sich einfach etwas wünschen dürften? Das Humidor-Konsilium hatte dieses außergewöhnliche Vergnügen. Die Mitglieder äußerten ihre Wünsche und Thomas Vollmer, Wolsdorff-Chef, und Till Theisen, Chefvorkoster und Einkäufer beim größten deutschen Zigarrenfilialisten (mehr als 170 Filialen in Deutschland), brachten Preziosen mit, die sie in 20 Jahren zurückgelegt hatten - von Davidoff Royal Salomones bis hin zu kleinen kubanischen Ediciones Regionales oder Limitadas von 2003. Im Süden des zigarrenfeindlichsten Bundeslandes Bayern hält Schloss Elmau weiterhin eine Zigarrenlounge für Gäste bereit. Sie ist fortan in einer neuen Partnerschaft Flaggschiff aus dem Haus Arnold André. Ganz neu ist die La Casa del Habano St. Gallen. Thomas Portmann, Sohn des legendären Urs Portmann, hat sie samt obligatorischer Lounge in der Ostschweiz eröffnet. Sie ist ebenso eine Reise Wert wie das Hotel „Zum alten Brunnen“ in Rheine. In einem separaten Gebäude bietet Hotelier Bernd Fleischer die Möglichkeit, trotz gastunfreundlicher NRW-Vorschriften den Zigarrenraucher willkommen zu heißen. In der Casa del Habano Nürnberg hat Chef Jürgen Haase unterdessen eine Lösung gefunden, wie er der Nachfrage nach den raren Cohibas begegnen kann: Von Laura Chavin hat er sich drei eigene Formate kreieren lassen, die es geschmacklich mit der Premium-Zigarre aus Kuba aufnehmen und zugleich preislich attraktiv sind.

April: Auf unseren April-Scherz ist natürlich niemand hereingefallen. Mit einem Augenzwinkern bieten sich aber einige Leser dennoch als Testraucher für die Zigarren aus dem 3D-Drucker an. Immerhin, die anhaltende Mangelsituation wäre damit gelöst ... Bei den wenigen Zigarren, die uns aus Kuba erreichen, muss aber zumindest die Qualität stimmen. Darum kümmert sich der neue Qualitätsdirektor bei Habanos S.A.. Tomás Marco, Agraringenieur und Master in ländlicher Entwicklung, arbeitete mehr als zehn Jahre lang als Direktor für landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte in Mittelamerika und schließlich in Cuba für die Spanische Agentur für internationale Entwicklungszusammenarbeit, bevor er zu Habanos S.A. stieß. Und womöglich gibt es ja auch Hoffnung für Freunde der kubanischen Zigarre. Beim Fastenendzeitrauchen am Captain's Table malte 5th-Avenue-Marketingchef Christoph Puszkar einen Silberstreif an den Horizont. So gebe es Hoffnung, dass die wegen des „Corona-Abstandes“ leerstehenden Rollerplätze derzeit zu nahezu einhundert Prozent wieder besetzt würden. Apropos Captain's Table: Dieser birgt ein kleines Geheimnis. Ein Video vom Jahresanfangsrauchen im Januar verrät es. Das Video stammt von Andreas Hilmer. Für uns hat er sich auch in Berlin im Hotel Adlon umgesehen. Zunächst besuchte er die schicke neue Filiale von Noblego. Zigarren aller relevanten Provenienzen gibt es dort zu erwerben, nur rauchen darf man sie im Geschäft nicht: Als Grund werden die Rauchmelder und die Hausordnung des Hotels angegeben. Dafür gibt es im Hotel zumindest eine Zigarrenlounge. Die Erfahrung unseres Autors ist aber nicht durchweg positiv: Wie in einer Jugendherberge muss sich zu Hotelpreisen (Espresso 5,90 Euro seine Getränke an der Lobby-Bar besorgen. Mobilfunkempfang ist in der Lounge so gut wie nicht vorhanden und WLAN gibt es nur für Hotelgäste oder per Voucher. Man bleibt also in jeder Hinsicht ungestört beim Genuss seiner Zigarre. Dies gilt auch für den Zigarrentraum: Aus dem verschlafen wirkenden „Em Tabakdösje“ in Köln-Mühlheim wurde ein Zigarrengeschäft, das inzwischen sogar vom Alleinimporteur für kubanische Zigarren mit dem Titel Habanos-Lounge ausgezeichnet wurde. Das ist im zigarrenfeindlichen NRW schon eine Leistung.

Mai: Als die ersten Gerüchte in der deutschen Zigarrenszene die Runde machten, schwankten die Reaktionen zwischen Ungläubigkeit und blankem Entsetzen. Auf der anderen Seite: Wenn bestimmte Habanos wirklich absurd teuer würden, die aber ohnehin nur in geringsten Mengen verfügbar sind - wen träfe eine solche Preiserhöhung wirklich? Wenig später bestätigen die ersten neuen Preise alle Befürchtungen. Eine Cohiba Behike 56 kostet nun 170 Euro pro Stück, eine Robusto 68 Euro und für eine Trinidad Topes werden 62 Euro fällig. Aber eben auch nur, wenn man sie denn überhaupt einmal zu Gesicht bekommt. Die Möglichkeit, eine rare Zigarre zu rauchen, bekamen in Berlin derweil 25 Aficionados bei Zigarren Herzog. Bei einem Tasting konnten sie eine Diplomaticos No. 2 mit dem Box-Code EMA FEB 08 rauchen und waren von ihr angetan. Der Zeitpunkt, die Kiste zu öffnen, war gut gewählt. Alle, die leer ausgegangen sind, können sich eine Laura Chavin kaufen - zum Beispiel bei Dürninger. Unter dem Label Laura Chavin – Maison des Cigares nimmt Deutschlands ältestes Zigarrenhaus (seit 1747) die Marke in sein Angebot auf. Noch nicht so alt ist das Zigarrenhaus Klenk (1935) in Bad Wimpfen. Der Ort mag nur 7300 Einwohner haben, nach dem Umbau zu einem Zigarrenkultur-Zentrum auf vier Etagen wird er aber womöglich zum Nabel der Zigarrenwelt, zur ersten Adresse für intellektuell anspruchsvolle Bildungstrinker und Zigarrenliebhaber. Selbst eine Metropole wie Hamburg hat nicht mehr allzu viele empfehlenswerte Anlaufstellen für Zigarrenraucher zu bieten. Die Lounge im Hotel Atlantic ist eine solche. 2019 wurde sie im Rahmen eines Umbaus zwar kleiner, dafür aber dafür wesentlich edler, gemütlicher und einladender. 14 Sitzplätze gibt es auf rund 30 Quadratmetern, dazu einen aufmerksamen Service, eine umfangreiche Getränkekarte und ein für den Notfall ausreichendes Zigarrenangebot. Warnen müssen wir hingegen vor Amsterdam. Hier wird zwar munter allerorten gekifft, dennoch haben die Niederlande eines der härtesten Anti-Raucher-Gesetze in Europa. So ist das Rauchen im öffentlichen Raum und in öffentlich zugänglichen Räumen verboten, nur in der Außengastronomie wird es geduldet, zumindest man nicht zu nahe am Eingang Platz nimmt. Eine Reisewarnung unumgänglich.

Juni: Lohnenswerte Reiseziele entnimmt man ohnehin unserer Übersicht mit Zigarrenlounges. In diese haben zwei neue Lounges Eingang gefunden, in Berlin und Andermatt. Besser natürlich noch, man trifft sich mit Gleichgesinnten. Die Deutsche Meisterschaft im Langsamrauchen ist dafür ein guter Anlass. Die Qualifikation in Berlin fand bei Noblego statt, mit einer Zeit von 01:18:35 qualifizierte sich Walter Schmidt für den Wettbewerb auf Schloss Bückeburg. Auf das richtige Motiv kommt es hingegen beim Zino Fotowettbewerb an. Die ersten Bilder treffen ein und decken die Bandbreite zwischen Kunstwerk und Themaverfehlung ab. Welchen Begriff Aficionados wohl für die neuen Kreationen von Laura Chavin wählen? Der Tabak der La Ligue de Divins kommt von einem Tabakfeld auf 800 Meter über dem Meeresspiegel, den Einfluss des dortigen Mikroklimas soll man aus den drei Formaten herausschmecken können. Bekannt verlässliche Qualität liefern Zigarren von VegaFina. 5th Avenue, der offizielle Alleinimporteur von Habanos in Deutschland, Österreich und Polen, übernimmt nun den Vertrieb der Marke.