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29-03-06 09:00 Alter: 18 yrs

VON:GH

(K)ein Smokers-Menü

Die öffentliche Einladung klang viel versprechend: Hamburgs Labskaus-Papst Reinhard Rauch, Ziegler-Brände-Chef Alain Langlois und Deutschlands Habanos-Chef Heinrich Villiger präsentieren die First Smokers Night im Old Commercial Room. Doch am Ende musste man feststellen: Thema verfehlt.



In den vergangenen sieben Monaten leer gerauchte Tubos.


Heinrich Villiger (re.) mit dem Habanos-Experten Paul A.

Old Commercial Room ist eine seit dem 18. Jahrhundert existierende Traditionsgaststätte gegenüber dem weltberühmten Hamburger Michel. Das Lokal ist insbesondere für seinen Labskaus bekannt und wird wegen seiner Lage vorwiegend von Touristen aufgesucht.

Reinhard Rauch - Chef dieses im alt-englischen Stil eingerichteten Hauses - sieht das Rauchverbot in Gaststätten auf die Branche zukommen und will daher in seinem mehrstöckigen Gebäude den obersten Saal zu einem Refugium für Zigarrenraucher machen; sogar ein eigener Verein ist hierfür geplant. Eine separate Küche und Abluftmöglichkeiten bieten die Möglichkeit, dieses Refugium von allen Nichtrauchern fern und frei zu halten.

Zur First Smokers Night war ein Smokers-Menü angekündigt. Zitronengrassuppe mit Pata Negra Chorizo, Schwarze Trüffel auf Arborio-Risotto mit 22 Carat essbarem Blattgold, Kalbsrücken und ein Schokoladen-Ravioli sollten den essbaren Teil bilden. Neben Montecristo Puritos und Cohiba Club als Aperitif sollten die Magnum 46 von H. Upmann und die Cohiba Siglo VI, den Gaumen umschmeicheln, hin und wieder angereichert mit insgesamt 6 (in Worten: sechs!) Ziegler-Bränden.

Ein wahrlich ambitioniertes Programm; aber machbar bei einem Beginn um 19:30 Uhr sowie stringenter Organisation.

Ab 19:00 Uhr gab es zur Einstimmung einen Cocktail und die kleinen Montecristos bzw. Cohibas. Und dann geriet irgendwie alles ziemlich durcheinander.

Fehlende Gäste veranlassten den Gastgeber, ein wenig zu warten und auf einen Glascontainer hinzuweisen, in dem sich die in den vergangenen sieben Monaten leer gerauchten Habanos-Tubos befanden. Im übrigen, so Rauch, habe er gerade noch einmal nachgeschaut: Rd. 5.000 kubanische Zigarren habe er vorrätig, es würde also heute abend wohl nicht knapp werden.

Mit rund einstündiger Verspätung begann das Smokers-Menü. Für die Zitronengrassuppe mit Pata Negra Chorizo, Tandoori und Bambus Sprösslingen hat die Küche eine glatte Eins verdient. Da unklar war, an welcher Stelle denn nun der Zigarrenteil kommen sollte, begnügte man sich wieder mit den Minis.

Bei den schwarzen Trüffeln auf Arborio-Risotto fehlte das 22 Carat essbare Blattgold. "Das bringt der Chef gleich selber." Aber irgendwie war der wohl mit seiner Organisation durcheinander gekommen. Also lieber ein warmes Risotto ohne Gold, als ein kaltes mit Gold.

Wer dachte, nun käme wohl eine Zigarre - der irrte. Ein trockener Kalbsrücken wurde gereicht - und stehen gelassen.

Zu diesem Zeitpunkt fiel mir der Ratschlag von Max Herzog (Casa Berlin) ein: Wenn ein Gang mal misslungen ist, kann man ihn mit einer guten Zigarre retten. Da auch jetzt noch nichts von Zigarren zu sehen war, griffen wir zu eigenen Beständen und versöhnten den Gaumen mit der Zigarre, die beim Habanos-Experten-Wettbewerb gerade zur Erkennung anstand.

Gegen 22:00 Uhr hatte wohl auch der Patron bemerkt, dass der Ablauf nicht so der rechte war. Also wurde Tempo in die Sache gebracht. In schneller Folge kamen drei der Ziegler-Brände und die Magnum 46 zu den Gästen. Heinrich Villiger und Alain Langlois nahmen Rücksicht auf die fortgeschrittene Zeit und begnügten sich mit kurzen Erklärungen zu den Produkten.

Gemütlich die Magnum verzehrend ließen wir die Zeit vergehen. Es standen ja noch das Dessert, drei weitere Brände und das Glanzstück des Abends, die Siglo VI auf der Tagesordnung.

Hier hat man als bustouristenerprobtes Unternehmen natürlich Erfahrungen. Der vierte Zieglerbrand wurde nicht mehr auf dem Tablett gereicht, sondern ruck zuck auf die Tische gestellt. Die Siglo VI wurde zügig verteilt und das Dessert kam auf die Tische - immerhin schließt die Küche um 24:00 Uhr. Für das Dessert war wiederum eine Eins fällig.

Auf ein hastiges Abbrennen der Siglo haben dann einige verzichtet. Die letzten zwei Zieglerbrände sollten wohl auch nicht mehr kommen.

Dem inzwischen deutlich angestiegenem Lärmpegel war zu entnehmen, dass die allermeisten sich bestimmt amüsiert haben, aber ein Smokers-Menü war es nicht.