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24-02-22 11:26 Alter: 2 yrs

Los puros de los Nicas …

Die Zigarren-Dienstreise des Maximilian Herzog führt nach Nicaragua. Aufgrund der geopolitischen Situation ein abenteuerliches und mühsames Unterfangen. Da freut sich der unerschrockene Wanderer schon über eine mittelamerikanische Busverbindung …

Hier ein Auszug aus seinem Reisetagebuch:



Grenzgänger – Berlins Zigarrenhändler Maximilian Herzog verlässt das zigarrenraucherfeindliche Costa Rica und fühlt sich im liberalen Nicaragua schon fast wie …?


Zigarrenmanufaktur Joya de Nicaragua


Ein Stapel Tabak, der zwecks Fermentation dort liegt.


Zigarrenproduktion – angenehme handliche Formate


Sortierung der Deckblätter


Puppenfertigung mit einem Rollhilfsmittel. Daher: “Hecho a mano“ und nicht „Totalmente hecho a mano“.


Ein Blick in die neue Fabrik von Heinrich Villiger.


Yassir Reyes (Chef der Qualitätskontrolle) und Maximilian Herzog


Auf dem Weg in die Zigarrenmanufaktur.


So sollten Zigarren in jedem Zigarrengeschäft präsentiert werden.

Nach Cuba gilt für viele Aficionados Nicaragua als das Zigarrenland der Träume. Wer allerdings den Traum verwirklichen will, sieht sich mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Flugverbindungen nach Managua aus anderen zentralamerikanischen Ländern und aus den USA sind fast vollständig gestrichen. So musste der zigarrenreisende Verfasser dieser Zeilen sich entscheiden zwischen komplizierten Flügen über Drittländer mit Flugzeiten von interkontinentalem Ausmaß. Oder er wählt den Landweg – was er denn auch tat. Viele Deutsche erschaudern bei der Vorstellung, auf diesem Weg nach Nicaragua einzureisen. Da sind Bilder im Kopf von Flüchtlingsströmen, Wegelagerern, Busunfällen und platten Autoreifen. Dann doch lieber die Puros der Nicas gemütlich zu Hause genießen. Damit aber wird auch eine Reise- und Zigarrenerfahrung verpasst. Und diese fällt sehr positiv aus – im Gegensatz zu den grundlosen Befürchtungen zu Hause.

Die Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua mit dem verlockenden Namen Peñas Blancas schien nur auf mich gewartet zu haben. Weit und breit weder Flüchtlinge noch Touristen. Ich war so gut wie der einzige am Zollschalter. Das gilt natürlich nicht für die atemverschlagend langen Schlangen von riesigen Trucks, deren Fahrer hier mindestens 24 Stunden warten müssen. Allerdings muss der alleinreisende Zigarrenfreund sich zu Fuß und mitsamt allem Gepäck bewegen. Über eine kilometerlange Pufferzone bzw. durchs Niemandsland zwischen den beiden Ländern bei Bruthitze und dann nochmals dieselbe Stecke auf nicaraguanischer Seite. Dafür befreit die Ankunft bei den Nicas den Zigarrenreisenden vom unsäglichen costa-ricanischen Rauchverbot. Im Vergleich dazu ist Nicaragua sehr liberal. Es geht dann weiter nach Managua mit einer rund dreistündigen Busfahrt. Und was für eine! Ich wusste gar nicht, dass man einen Bus derart mit Menschen überfüllen kann. Und wenn dann die schwer übergewichtige Frau neben mir auch noch eine Tüte auch dem Schoß hält, aus der langsam aber stetig eine nicht zu identifizierende Flüssigkeit auch auf meine Knie tropft, so hält sich auch beim Abenteuerlustigsten die Freude am Reisen für einen Moment in Grenzen. Aber immerhin, er kam in direkten Kontakt mit den Nicas, auch wenn die ein kreolisches Spanisch in einer Geschwindigkeit reden, bei der auch seine von einer gestrengen Professorin in der Schule für Ausländer trainierte Sprachenkenntnis kläglich versagte.

Die Strapazen der Busreise wurden mehr als ausgeglichen durch eines der schönsten Hotels, in dem ich mich jemals einfinden durfte. Alte Kolonialvilla mit einem Patio, in dem sich der Rauch der bislang in Costa Rica verbotenen Zigarren köstlich mit dem Duft der tropischen Pflanzen vereinigte. Mit der Lektüre von Gabriel Garcia Márquez’ Roman „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ fühlte ich mich vollständig der Zeit entrückt. Dass dazu eine Flor de Caño nicht fehlte, ist wohl klar.

Am andern Tag dann die Reise nach Estelí. Ein Fahrer der neuen Zigarrenmanufaktur von Heinrich Villiger holte nich frühmorgens zur rund vierstündigen Reise in die Hauptstadt der Zigarrenproduktion ab. Ich war sehr überrascht, dass Heinrich Villiger über die letzten zwei Jahre hinweg, einer für die Zigarrenproduktion schwierigen Zeit also, eine solche Investition für die Zigarre leistete. Die neue Fabrik, die ausschliesslich für Villiger produziert, entstand auf dem Gelände der ältesten Zigarren-Manufaktur von Nicaragua, der Joya de Nicaragua. Mit diesem 1968 durch zwei Kubaner gegründeten Unternehmen verbindet Villiger eine lange Geschichte. Einstmals nur zum Einkauf von Rohtabak dort, entstand schon bald eine Freundschaft mit dem Seniorchef von Joya de Nicaragua: Alejandro Martinez. Dieser war vor seiner Zeit als Chef der Zigarrenfabrik Mitglied der ersten sandinistischen Regierung (Minister für Außenhandel). Bei den wunderbaren Gesprächen mit ihm habe ich auch viel über die Revolution in Nicaragua gelernt. Alejandro war ein persönlicher Freund von Fidel Castro, hat aber nach der erfolgreichen Vertreibung von Diktator Somoza und dem Kampf mit den Contras einen ganz anderen Weg eingeschlagen als Fidel.

Die Villiger-Manufaktur wird geleitet von Alejandros Sohn Juan Ignacio. Eröffnet wurde die Fabrik im letzten Oktober, und ich hatte das Vergnügen, erster ausländischer Besucher sein zu dürfen. Der Empfang war sehr herzlich und die Offenheit beeindruckte mich. Im Moment werden 2,5 Mio. Zigarren pro Jahr für Villiger in der neuen Fabrik produziert unter der Anstrengung von 60 Mitarbeitern, wovon z. Z. 32 Torcedores. Entspricht also einen Tagesausstoss von gegen 450 Puros pro Tag und Mitarbeiter. Joy de Nicaragua produziert 10 Mio. In Nicaragua gibt es heute 80 legale Zigarrenmanufakturen, die illegalen Familienbetriebe, sog. Chinchales nicht mitgezählt.

Warum ist der nicaraguanische Tabak aus dem Jalapa-Tal so anders? Dazu muss geschnüffelt werden. Der äusserst sachkundige Yassir Reyes (Chef der Qualitätskontrolle), der mir auch die alte Fabrik von Joya de Nicaragua öffnete, zeigte mir, wie man das macht, um einen ganz besonderen Duft der Blätter aus Nicaragua zu erkennen. Es ist ein feiner metallischer Geruch, der auch der Puro zu mehr Kraft als andere nichtkubanischen Provenienzen verhilft. Vermutlich deshalb ist für viele Aficinados die nicaraguanische Puro (der Ausdruck bedeutet hier das spanische Wort für Zigarre) der cubanischen am nächsten. Warum herrscht aber für uns in Deutschland nicht nur akuter Mangel an Ware aus Kuba, sondern auch aus Nicaragua? Ich bekam folgende Antworten:

  • In den USA herrscht z. Z. der grösste Hype für Zigarren aus Nicaragua aller Zeiten. Deshalb liefere z. B. Padrón so gut wie alles in die USA. Von daher gesehen ist es ein Glücksfall, dass Villiger seine eigene Produktion eingerichtet hat.
     
  • Ein zweites Problem stellt der Klimawandel dar. Es gibt offenbar zu wenig Regen im Jalapa-Tal.
     
  • Drittens verzeichnen die Nicaraguaner einen deutlichen Anstieg der Nachfrage wegen der Lieferprobleme Kubas.
     
  • Zudem gibt es auch in Europa, so die Analyse von Alejandro, wieder eine deutliche Zunahme von Jungrauchern in 2020.

Dies alles führe zur beklagenswerten Verknappung nicagaruanischer Zigarren.

Wir aber halten, so versichern Vater und Sohn unisono, den Deutschen die Treue. Na, dann kann ich ja beruhigt aus dem so beindruckenden Nicaragua abreisen.

Mit dem festen Vorsatz, bald wiederzukommen.