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07-08-19 10:48 Alter: 5 yrs

VON:OLIVER LAMPE

Reisetipp: Berlin • Miguel Private Cigars • Torsten Reich

Oliver Lampe fand Sehens- und Bemerkenswertes.



Die Bar ist gut sortiert, hier findet man Kleinode als Pairing, nicht den Standard.


Der Humidor ist gut sortiert; im Untergeschoss gibt es zwei weitere.


Die 1. Gurkha Lounge Europas wartet mit gemütlichem Kitsch auf. (alle Bilder: Oliver Lampe)

Als Aficionado auf Reisen ist man leider immer auf der Suche nach einem Ort, an dem man ungestört verweilen und genießen kann. Ich für meinen Teil traue mich zumeist ja kaum, mir in einem Biergarten eine Zigarre anzuzünden, da man sich damit sozusagen selbst zum Abschuss frei gibt und in die Linie missgünstiger Blicke und abfälliger und beleidigender Kommentare kommt, weil die Zigarettenraucher sich vom „Gestank der Zigarre“ belästigt fühlen. Im Winter kommt Frieren hinzu, was man mir einst besonders deutlich vor Augen führte, als man mich in der Newton Bar in Berlin-Mitte mitten im Februar zum Rauchen vor die Tür setzte, weil der Kellner keine Treppen steigen wollte.

Wir sind also im Großen und Ganzen schon verdrängt worden auf die heimische Couch und in die wenigen Lounges, die es gibt – und die auch nicht immer das sind, was sie sein sollten oder scheinen. Umso mehr freut es mich, wenn ich mal eine Lounge finde, die mich positiv überrascht. Diese sind zwar an einer Hand abzählbar, doch derer gibt es tatsächlich welche!

So ist für mich die Lounge im Ladengeschäft von Miguel Private Cigars in Berlin-Wilmersdorf nun eine dieser. Manch einer mag sie bereits kennen und jetzt wissend nicken. Die, die sie nicht kennen: Hier lasse man sich bitte nicht von den eher abschreckenden Bildern auf der nicht gerade aktualisierten und gepflegten Website des Geschäftes abschrecken – in dieser Lounge sieht es mittlerweile ganz anders aus, wie auch die Fotos einiger sogenannter Local Guides auf Google Maps sehr schön zeigen. Wohl, wie mir von einem der berlinerisch-freundlichen Mitarbeiter erzählt wurde, dank und wegen Kaizad Hansotia, der sich einst weigerte, in der im Umbau befindlichen Lounge ein Tasting abzuhalten, dem dann aber doch die Substanz des Ladenlokals so gefiel, dass er dem Besitzer Torsten Reich (von Angestellten liebevoll „Imperator“ genannt) ein Angebot machte, das dieser nicht ausschlagen konnte.

Nun, man kann von Kaizads Marke „Gurkha Cigars“ halten, was man will. Ich für meinen Fall halte von den Linien seiner Marke – Abstand. Aber über Geschmäcker lässt sich bekanntlich streiten. Unbestreitbar ist, dass die 1. Gurkha Lounge Europas wirklich sowohl sehr gemütlich ist als auch mit einem angenehmen Ambiente aufwartet. Hier mag man verweilen. Sie ist kein Jahr alt, diese Lounge, bietet jedoch schon heute weit mehr einladendes Flair als einiges, was über Jahrzehnte natürlich gewachsen ist. Viel Platz hat man hier in der Lounge auf der Berliner Straße, die Öffnungszeiten sind passabel und geben auch Aficionados mit geregelten Arbeitszeiten die Chance, nach dem eigenen Feierabend noch hier zu verweilen, das Personal ist mehr als freundlich, erlesene Drinks kann man ordern, der begehbare Humidor ist recht gut sortiert (es ist für jeden etwas dabei, was jetzt auch nicht zwingend Gang und Gäbe ist) und das Design der Lounge ist wie ein Zigarrenring der Marke Gurkha: treffsicher kitschig zwischen old school und modern. Das Untergeschoss des Ladens mit seiner Gurkha-Tasting-Lounge setzt dem ersten Eindruck sogar noch einen oben drauf; hier gibt es weitere Humidore und genügend Platz für Gruppen bis zu 20 Personen, die gemütlich und ganz privat eine Zigarre oder mehr genießen wollen. Alles gehalten in dunklen, gedeckten Rot- und Holz-Tönen, die bei Betrachtung schon entspannende Wirkung ausüben.

In diesem Sinne möchte ich jedem, der in der Hauptstadt nach einer Möglichkeit, für ein paar Stunden dem Alltag zu entfliehen und dem Genuss zu frönen, sich sehnt, die Miguel Private Cigars Lounge (Adresse unter www.privatecigars.net) ans Herz legen. Einen Versuch ist sie mehr als wert und man ist nicht gezwungen, eine Gurkha zu rauchen.