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01-03-23 14:00 Alter: 1 year

VON:GH

Tischlerlounge Lubeca • unter den sieben Türmen

Am Fuße der sieben Kirchtürme Lübecks wird Hand angelegt für die Fertigstellung eines Kleinods – mit hohem olfaktorischen und intellektuellen Anspruch.



Das Betreiberkonzept als Eingangsstatement


Einmalig: Der Palisandertisch


Die blaue Ecke …


Der Ort der Kontemplation … stehend.


Morphium


Erscheinungsjahr 1679


In Lizenz: Der vermutlich beste Rum des Planeten.

Nach 120 Jahren solider handwerklicher Tischlerarbeit, in denen Apotheken auf der Nordhalbkugel mit edelstem Interieur ausgestattet wurden, erfährt der Betrieb eine Nutzungsänderung und wird … Refugium für den anspruchsvollen Zigarrenraucher.

Es wird eine private Lounge werden, nicht geheim, aber auch nicht für jedermann nach Belieben zugänglich. Der Patron ist freundlich, offen und entgegenkommend, will aber auch nur den dort sehen, der die Gegebenheiten versteht und zu würdigen weiß. Gott sei Dank trifft das auf fast jeden Zigarrenraucher zu.

Rund 100 Quadratmeter wurden separiert und mit den Devotionalien aus den letzten 120 Jahren und darüber hinaus ausgestattet. Nebenräume für Vor- und Nachbereitungsarbeiten kommen hinzu.

Der Zugang erfolgt über eine alte steile Holztreppe, die dem Besucher signalisiert: Wer viel trinkt, sollte dennoch Herr seines Körpers bleiben. Disziplin schadet nicht.

Beim Blick auf die Eingangstür liest man „Betreutes Rauchen …“, ein Hinweis darauf, dass Zigarren nicht im Rahmen eines stillen Suffs weggequalmt werden, sondern das niveauvolle Gespräch im Mittelpunkt steht.

So einfach jedoch ist der Eingang nicht, denn links an der Wand hängt ein Briefkasten mit der Aufschrift: „Morphium“ – eine Reverenz an die Zeit, als man mit Apotheken sein Geld verdiente. Hier wirft der Hedonist das Geld hinein, das den Loungepatron beruhigt und in die Lage versetzt, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten.

Ein ansehnlicher Humidor, der noch zu den aktiven Zeiten der Tischlerei für einen gastronomischen Betrieb getischlert wurde, wird vom örtlichen Händler mit Zigarren gefüllt oder von aktiven Mitgliedern als Außendepot genutzt.

Vor dem zur Stadt gerichteten Fenster wurde – der Einfluss der Kirchtürme ist nicht zu leugnen – ein Platz für Kontemplation angesichts der sieben Türme geschaffen. Auf dem Pult liegt die Predigt- und Traktatsammlung des Giuseppe Mansi mit dem Titel: „Locupletissima bibliotheca moralis praedicabilis, hoc est discursus varii exquisiti.“ Zu Deutsch: „Die reichste moralische Bibliothek, die gepredigt werden kann. Dies ist ein Diskurs von verschiedenen Vorzüglichkeiten.“ Immerhin ein Werk aus dem Jahr 1679. Anstand, Sitte und Moral waren die Themen des 1720 verstorbenen Mansi. Er war Mitglied der Oratorianer, einer Lebensgemeinschaft, deren hohen intellektuellen und moralischen Ansprüchen zumindest in dieser Lounge auch noch der Hang zum Hedonismus hinzugefügt wird.

Da werden Gegenstände, die es zukünftig nicht mehr geben wird – z. B. der Tisch aus Palisander – zu Monumenten der Nachhaltigkeit und Beständigkeit.

Selbst für den, der leicht ideenlos in der Lounge verweilt, hat man ein Thema. „Gehe mit Menschen um wie mit Holz. Nur weil ein Stück faul ist, wirfst Du nicht das ganze Brett weg …“ gibt ein an die Wand genagelter Spruch zu denken.

Jeder Loungepatron ist so ideenreich wie die Loungepatronin ihn inspiriert. Und da diese Patronin die Königin unter den Wildschweinleberpastetenmacherinnen ist, kann man schon heute eine Menge weiterer Loungeinspirationen sehen und erwarten.

Tischler-Lounge Lubeca, Lübeck.