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06-09-17 10:28 Alter: 7 yrs

VON:DRO

Vor zehn Jahren trat das Ende des Reisens in Kraft

Wenn Sie sich noch daran erinnern können, dass die Fahrt mit einem Zug in Deutschland etwas mit Reisen zu tun hatte, zählen Sie vermutlich schon zu den etwas älteren Semestern. Gefangen auf zunehmend unbequemem Mobiliar in einer Hölle aus Junggesellenabschieden und Flammkuchen ist der gleichermaßen sehnlichste wie naive Wunsch an Bord, dass keine Verspätung das Elend unnötig verlängert.

 

Es gab eine Zeit, da machte die Zugfahrt zumindest erträglich, dabei rauchen zu können.



Fumans obliviscere mundum – Rauchend vergessen wir die Welt (und die Unbill um uns herum).

Am 1. September 2007 nahm dies ein jähes Ende, als das kurz zuvor beschlossene Bundesnichtraucherschutzgesetz das Rauchen "in öffentlichen Einrichtungen des Bundes sowie der Verfassungsorgane des Bundes, in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenverkehrs und in Personenbahnhöfen der öffentlichen Eisenbahnen“ verbot, soweit es sich um "vollständig umschlossene Räume“ handelte. Es betraf also unter andere Züge, Busse, Straßenbahnen, Taxis und Flugzeuge.

Auswirkungen hatte das Gesetz vor allem auf Reisen mit der Deutschen Bahn. In Bistrowagen der Bahn war das Rauchen schon im Oktober zuvor untersagt worden, in Bordrestaurants war es seit 1991 nicht mehr möglich. Auf Bahnsteigen gab es bald gelbe Markierungen am Boden, der einzige Ort auf Bahnhöfen, an denen fortan das Rauchen noch gestattet war. Die Folge kann heute jeder beobachten: Bisweilen kommt man weder in Züge hinein noch aus diesen heraus, weil in den Eingangsbereichen Suchtraucher hektisch an Zigaretten ziehen.

Das Bundesnichtraucherschutzgesetz beflügelte die Diskussion um Rauchverbote auch in weiteren Bereichen des öffentlichen Lebens mit in den Folgejahren insbesondere zum Teil starken Auswirkungen auf die Gastronomie wie beispielsweise in Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD, Sonderpädagogin) hatte mit ihrer etwas platten Aussage "Der Nichtraucherschutz in Deutschland kommt Zug um Zug voran“ also auf mehreren Ebenen recht.

Das Gesetz scherte alle Raucher über einen Kamm und vergiftete nachhaltig die Stimmung in der Gesellschaft. Raucher wurden zunehmend stigmatisiert, von aggressiven Nichtraucherinitiativen bis zum Deutschen Krebsforschungszentrum. Die damalige Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des Zentrums erhielt dafür das Bundesverdienstkreuz.

Videotipp: 1974 wird das Rauchen in Bussen in Berlin verboten. Der Berliner findet es nicht gut.

http://www.drlima.net/2017/06/1974-berliner-ueber-das-rauchverbot-in-linienbussen/