Reinhard Kleist • Havanna

Was unterscheidet eine Graphic Novel von einem Comic? Wikipedia beschreibt Graphic Novel als Comic im Buchformat, das sich überwiegend an ältere Leser richtet.

Aha!

Der Autor und Illustrator Reinhard Kleist ist Jahrgang 1970, von daher sollte man sich von dieser Definition nicht abschrecken lassen. Die Frage stellt sich natürlich auch: Ab wann ist man ein älterer Leser?

Das Buch ist noch sehr neu auf dem Markt und basiert auf einer Reise des Autors nach Kuba im März 2008. Auf diese hat er sich, wie man dem Vorwort entnehmen kann, gut vorbereitet, Kontakte geknüpft, die Botschaft aufgesucht und Spanischkurse belegt.

Die gute Vorbereitung und kritische Auseinandersetzung mit der Reise in das Land Kuba, die verschiedenen Erwartungshaltungen seiner Freunde und Bekannten werden in den Beginn des Buches einbezogen und scheinen auch im Verlauf immer wieder durch.

Das Buch ist eine Mischung aus kleinen Geschichten in Comicform, aus schlaglichtartigen, gezeichneten Bildern und schwarz-weißen Skizzen. Es werden verschiedene Orte, Menschen und Erlebnisse beleuchtet – dies kann das Chaos in den Straßen von Havanna, die Tristesse von Hinterhöfen in Nebenstraßen, der Verfall der Häuser am Malecón oder die Schönheit von Trinidad und dem Viñales-Tal sein.

Der Gegensatz des durchorganisierten Europäers, der nicht auf den CUC schauen muss, zum scheinbar entspannter lebenden, aber mit stetigen Geldsorgen kämpfenden Kubaner wird freundlich, aber deutlich aufgezeigt – andererseits ist in Kuba halt manches möglich, was im ersten Moment gar nicht möglich scheint.

Genauso wie die kubanische Lebensfreude in der Darstellung nicht zu kurz kommt, finden sich auch Geschichten wie die von Miriam, die als Jugendliche verhaftet wurde und diesen Makel nie wieder loswurde. Sie möchte nur eines: Fort aus Kuba.

Selbstgespräche mit den allgegenwärtigen Revolutionshelden reflektieren das Geschehen aus der Sicht des Europäers. Kleines „Goodie“ im Buch: Eine ausklappbare Seite, die den Malecón einmal bei Tag und einmal bei Nacht zeigt. Wunderschön gezeichnet – zum „an die Wand hängen“. Kleines „Goodie“ auf der Homepage des Carlsen-Verlags: Der Blog zum Buch.
 
Fazit: Ein gelungenes „Comic“-Buch. Viele sehr schöne Zeichnungen, Sketche und Geschichten in farbigen und schwarz-weißen Darstellungen, die einem Havanna und Kuba näher bringen, ohne es zu verklären.

Zielgruppe: Wer Kuba „sehen“ möchte ohne auf Fotografien zurückgreifen zu können, Comic-Liebhaber, Freunde von persönlichen Reiseberichten, Kuba-Liebhaber oder Kuba-Kritiker – kurzum: Fast jeder.

 Die einzigen, die zu kurz kommen, sind die Zigarren-Liebhaber. Denn dieses Thema wird, trotz eines Besuches des Autors im Viñales-Tal, nur minimal am Rande berührt.

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