04-03-25 10:27 Alter: 21 days
VON:MAXIMILIAN HERZOG, BERLINS ZIGARRENHÄNDLER
Der österreichische Nachbar von Davidoff in der Dominikanischen Republik
Ein Blick hinter die Kulissen traditioneller Tabakkultur – geworfen von Berlins Zigarrenhändler Maximilian Herzog. Mal wieder auf einer Bildungsdienstreise …
 |   A1-Felder in Villa González
  Günther Schichl auf einem seiner Tabakfelder
  Criollo
  Olor Dominicano
  Zigarre aus einem Blatt
  Klassischer Trockenschuppen bei Günther Schichl - Laura Chavin
  Sanfte Trocknung
  Auf dem Weg zur zweiten Ernte
  Samen in Reserve
  Stolz, wer seine eigene Puro produzieren kann. (Alle Bilder: Maximilian Herzog, Berlins Zigarrenhändler)
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Der beste Boden für den Tabakanbau in der Dominikanischen Republik liegt in Villa González, bei der Stadt Santiago de los Caballeros. Die dortigen Toplagen gehören zur Region A1 im Land. Es verwundert nicht, dass der größte der dort produzierenden Zigarrenherstellern die weltweit für ihre Qualität bekannte Firma Davidoff ist. Aber Davidoff hat einen Nachbarn, der es in sich hat. Schauen wir da einmal etwas genauer hin.
Der Österreicher Günther Schichl produziert Zigarren unter andern für „Laura Chavin“. Die Marke ist bekannt für ihre hohen Ansprüche und auch für die verschiedenen Linien mit unterschiedlichen Stärken, Farben und Mischungen. Dass es die Laura Chavin-Zigarren immer noch in gleichbleibender Qualität gibt, liegt an ihrem Produzenten Günther Schichl. Für mich bot sich jetzt die Gelegenheit, die von artofsmoke hochgelobte Zigarre bei ihrer primären Entstehung vor dem Rollen zu beobachten. Ich durfte einen ganzen Tag lang einen laienhaften Blick auf den komplexen Werdegang auf den Feldern des „Braunen Goldes“ werfen.
Es ist eine beachtliche Leistung, unmittelbar neben dem Riesen Davidoff Tabak zu produzieren und Premiumzigarren zu rollen. Es ist das Geheimnis des engagierten Einzelunternehmers gegenüber Großfirmen, mehr versuchen zu können und mehr fast verschwundene Tabakpflanzen und Anbaumethoden wieder zu entdecken. So gibt es auf seinen Feldern wieder den guten alten Criollo. Dieser ist bei großen Firmen in Ungnade gefallen, weil die Pflanze nicht sehr hoch wird und entsprechend weniger Blätter ergibt. Zudem war er anfälliger auf Blauschimmel. Der Unterschied zu andern Tabaksorten für den Großanbau ist augenfällig.
Schichl kann mit seinen Criollos sogar Puros herstellen, also Einlage, Um- und Deckblatt von der gleichen Pflanze. Zu Lehrzwecken lies er mir sogar eine kleine Zigarre aus einem einzigen Ligero-Blatt drehen. Da passierte mir aber, was ich seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt habe: es wurde mir schwindlig und ich musste die Zigarren beiseitelegen. Dies ist eine wunderbare Methode, die Spezifität einzelner Blätter zu erkennen und die Wichtigkeit einer sorgfältigen Mischung herauszustellen. Natürlich, sagt Schichl, muss ich auch von anderen Pflanzen Deckblätter nehmen, da die Criollos keine für große Formate hergeben.
Eine weitere Möglichkeit, interessante und gute Tabakblätter zu erzeugen, ergeben verschiedene Methoden zur Trocknung der Blätter. Wer die erste Fotografie oben genau betrachtet, sieht im Hintergrund rot gedeckte Schuppen auf dem Nachbarfeld, das zu Davidoff gehört. Es sind Trockenhäuser, die zur Steigerung des Durchlaufs großer Mengen und zur Zeitgewinnung befeuert werden. Dagegen steht der herkömmliche, jedes Jahr neu mit Bananenblättern zu deckende Trockenschuppen. Vorteil: das Tabaköl bleibt besser in den Blättern, während es von der heißen Luft in befeuerten Häusern herausgerissen wird.
Wer so traditionsbewusst arbeitet, ist auch auf andere Methoden des Anbaus angewiesen. Die Criollo-Pflanze, die noch bis in die Siebzigerjahre auf Cuba-Standard war, gibt zwar wunderbare Blätter, aber zu wenig. Schichl hat eine Methode wieder eingeführt, welche die kubanischen Bauern kannten. Es wird zweimal geerntet. Nach der ersten Ernte wird die ganze Pflanze etwa dreißig Zentimeter über dem Boden abgeschnitten.
Aus dem verbliebenen Stumpf sprießen neue Triebe. Die werden bis auf den kräftigsten wieder entfernt. Der eine Trieb gedeiht aufs Neue zu einer Tabakpflanze, die Blätter für die Einlage produziert.
Wer so viel Kenntnis und Liebe zur traditionellen Tabakanbau aufbringt, vergisst auch den genetischen Schutz seiner Pflanzen nicht. Deshalb werden auf den Feldern von Schichl immer auch einige Samenstände stehen gelassen, eine Art Reservesamen.
Auch das zeichnet einen Einzelunternehmer aus: Er kann es leisten, einen ganzen Tag lang einem Berliner Zigarrenhändler wenigstens einige der Geheimnisse der traditionsbewussten Tabakproduktion zu zeigen.