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14-12-06 10:38 Alter: 18 yrs

VON:PAUL ALTENAU

Die erste Romeo y Julieta

Die kleine Zigarrengeschichte am Donnerstag.



Im Jahr 1984 war ich mit einer Reisegruppe in Moskau. Ich hatte die Sowjetunion zuvor nie bereist.

Wir kamen an späten Nachmittag im Hotel Cosmos (dem jetztigen Renaissance Hotel), in der Nähe der Allunionsausstellung gelegen, an. Nachdem die Zimmer bezogen waren, war es bereits 21 Uhr. Meinen ersten Abend in Moskau wollte ich aber nicht ausschließlich an der Hotelbar verbringen und so fragte ich die Mitglieder meiner Reisegruppe, wer mit mir zum Roten Platz fahren möchte. Ich meine mich zu erinnern, dass alle mitkommen wollten. So machte ich mich - bewaffnet mit einem Falk-Stadtplan und knapp 30 Mitreisenden im Schlepptau auf den Weg zur nahegelegenen U-Bahn-Station Mir.

Nachdem am Eingang der U-Bahn alle Reiseteilnehmer mit den zur Entrichtung des Fahrpreises erforderlichen 10-Kopeken-Münzen versorgt waren, führte uns die hölzerne Rolltreppe mit einem Affenzahn erstmalig in die Tiefen der Moskauer Metro. Von der Zielstation aus führt eine für Moskauer Verhältnisse schmale, an beiden Seiten von Gründerzeitgebäuden gesäumte Straße zum Roten Platz. Von dieser Straße aus kommend, kann man erst im letzten Augenblick - sozusagen beim Betreten - den Roten Platz einsehen. Um so beeindruckender ist der Eindruck, wenn man den riesigen Platz mit der beleuchteten Basilius-Kathedrale, dem Lenin-Mausoleum und dem Kreml nachts betritt. Wir befanden uns im Machtzentrum der Sowjetunion. Es war wirklich beeindruckend.

Nachdem wir den riesigen Platz durchwandert hatten, war es bereits 22:30 Uhr und wir kehrten in das Hotel zurück. Noch ein Absacker an der Hotelbar und dann ins Bett, um fit für den nächsten Tag zu sein.

Wenn ich im Ausland bin, probiere ich in der Regel die einheimischen Speisen und Getränke und meide zunächst einmal international verfügbare Produkte (auf die kann man immer noch zurückgreifen, wenn die einheimischen einem nicht zusagen). Also wählte ich als Getränk 100 g Wodka. An der Bar sitzend streifte mein Blick einige Zigarrenkisten - offensichtlich keine einheimischen Produkte, denn sie waren mit dem grünen cubanischen Siegel versehen. Also orderte ich eine Zigarre und bekam eine zellophanierte Romeo y Julieta. An die Vitola erinnere ich mich leider nicht mehr.

Zum damaligen Zeitpunkt rauchte ich nur ab und zu eine Havanna - meistens Partagas. Die Marke Romeo y Julieta war mir zwar dem Namen nach bekannt - aber geraucht hatte ich noch keine. Natürlich waren die Zigarren furztrocken. Das hinderte mich aber nicht daran, die folgenden Abende jeweils mit einer Romeo y Julieta zu beschließen. Offensichtlich wurden die Zigarren nicht häufig verlangt, denn schon am dritten Abend wurde mir die Zigarre unaufgefordert serviert.

An einem der folgenden Abende hatte ein anderer Barkeeper Dienst. Ich orderte eine Romeo y Julieta und ausgehändigt wurde mir eine Videokassette mit einer Aufzeichnung des gleichnamigen Baletts von Sergej Sergejewitsch Prokofjew. Die habe ich natürlich nicht geraucht, sondern das Missverständnis aufgeklärt.

Das Rauchen von Zigarren war damals in Moskau nicht besonders populär - was ich auch an einer anderen Begebenheit feststellen konnte, welche der Gegenstand der Zigarrengeschichte in 14 Tagen sein soll.